Einleitung
_Campus + Stadt
Mit der Neubebauung entlang der Berliner Straße wird das alte Leitbild der funktional getrennten Stadt für das Neuenheimer Feld in Heidelberg aufgegeben. Die Entwicklungsperspektive der Wissensgesellschaft bietet jetzt die Chance Orte der Wissensproduktion und der Wissensvermittlung mit dem Stadtraum und der Stadtgesellschaft Heidelbergs neu zu verknüpfen.
Das Neuenheimer Feld rückt näher an die Stadt heran. Dabei gilt es die Permeabilität des Campus zu erhalten und seinen „Quartiersrand“ durchlässig und attraktiv zu gestalten. Auf dieser Basis leistet das vorliegende städtebauliche Konzept einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der europäischen Stadt im Allgemeinen und der Entwicklungstypologie unterschiedlichster Wissensorte in Heidelberg im Besonderen.
Stadtraum + Freiraum
_Ebene der Gesamtstadt
Die Dimension des neuen städtischen Freiraums „Platz der Wissenschaften“ und dessen wichtigster Stadtbaustein, das „Haus der Nobelpreisträger“ referenziert nicht nur auf die Größe und Dimension des Neuenheimer Feldes, sondern reagiert damit auch auf die Stadtstraße Berliner Straße und die neue Unternehmenszentrale von Heidelberg Cement gegenüber.
Damit unterscheiden sich alle drei bestehenden Campuseingänge klar. Mehr noch, die Kombination von Platz und Haus löst gleichermaßen die Anforderungen an ein Campustor, wie auch an einen Brückenkopf und schafft für das Neuenheimer Feld eine wichtige Adresse. Der städtebauliche Entwurf unterscheidet die Stadträume Platz und Park (Römberbad), schafft die Umlenkung der Jahnstraße und setzt neue Wege und Sichtbezüge zum Neckar und in den Campus hinein. Darüber hinaus kann eine signifikante, architektonisch raffinierte Landmarke, das zukünftige „Haus der Nobelpreisträger“, das Neuenheimer Feld in der Stadtsilhouette der Wissenschaftsstadt Heidelbergs akzentuieren und die stadträumliche Wirkung bereichern
_Ebene des Stadtteils
Städtebauliches Ziel des Entwurfs ist es mehr als nur einen offenen und einladenden „Rand“ des Universitätsquartiers zu realisieren. Der Heidelberger Stadtkörper zeigt an drei Orten beispielhaft, wie die räumliche Nähe von Universität und Stadtgesellschaft im öffentlichen Raum erlebbar wird. Der Universitätsplatz und der ehemalige Anatomiegarten, beide an der Hauptstraße gelegen, sind als repräsentative Stadtplätze nicht mehr aus dem Stadtgrundriss wegzudenken. Auch ihre Namen
stehen für die besondere Verbindung zwischen Stadt und Wissen. Der Vorhof der ehemaligen Krehlklinik als Endpunkt der Römerstraße, wiederum an einer Hauptstraße, der Bergheimer Straße gelegen kann diese städtebauliche Tradition fortsetzen.
Gleiches Ziel verfolgt der städtebauliche Entwurf zur Bebauung der süd-westlichen Ecke des Campus Neuenheimer Feld an der Berliner Straße. Mit dem neuen „Platz der Wissenschaften“ entsteht ein wichtiger Stadtplatz an einer bedeutenden Stadtstraße als Eingang und Auftakt in das Wissenschaftsquartier.
Das Memorandum zur internationalen Bauausstellung „Wissen schafft Stadt“ nimmt Bezug zur stadträumlichen Nähe von Universität und Stadtgesellschaft. „Wissenschaften, die erlebbarer und zentraler Teil der Stadtgesellschaft sein wollen, brauchen dafür die räumliche Nähe zu anderen Nutzungen.“ Weiter heißt es, dass auf Quartiers- und Stadtteilebene gerade „offene und einladende Quartiersränder, das Überbrücken von Zwischenräumen und Barrieren sowie durchführende Hauptverkehrstrassen als Verbindungselement und Wahrnehmungsraum“ wichtige Aspekte in der stadträumlichen Verknüpfung von Universität und Stadt einnehmen.
Der neue „Platz der Wissenschaften“ dient mit seinem schattenspendenden, hochstämmigen Kiefernwald als großzügiger, atmosphärischer Stadtraum dem Ankommen und Orientieren genauso
wie der Begegnung und der Kommunikation.
_Ebene der Gebäude
Vier Baukörper ordnen sich am Katharina-Windscheid-Platz an. Ein Platz, der nach der ersten Frau, die in Heidelberg promoviert wurde, einer Wegbereiterin des Frauenstudiums, benannt werden könnte. Dieser Nachbarschaftsplatz dient vor allem als Erschließungs-, Kommunikations- und Verbindungsraum zwischen den Forschungseinrichtungen des Max-Planck-Institutes und den Einrichtungen von Heidelberg4Life. Der Platz funktioniert nicht nur nach der Fertigstellung aller Bauabschnitte, sondern erfüllt seine Aufgabe auch unter Beibehaltung der bisherigen Straßenführung.
Das Bebauungskonzept mit nur drei Forschungsgebäuden und dem repräsentativen „Haus der Nobelpreisträger“ schafft eine logische Abstufung und Differenzierung zwischen den öffentlichen Plätzen (Platz der Wissenschaften, Katharina-Windscheid-Platz) und den „privaten“ Gärten bzw. Terrassen (Jardim Secreto, denkmalgeschützte Grünfläche, Max-Planck-Terrasse). Gleichermaßen unterstreicht das Bebauungskonzept den Wunsch einer sogenannten „Verhäuselung“ des Neuenheimer Feldes entgegenzuwirken.
Die Erdgeschosszone ist die Schnitt- bzw. die Kontaktstelle zwischen öffentlichem Raum und der jeweiligen Wissenseinrichtung. Damit kommt der Gestaltung der Foyerzone und ihrer Nutzung eine besondere Bedeutung zu. „Gerade durch belebte und einsehbare Erdgeschosse, Gebäudezugänge
und die Vernetzung mit Hof und Garten lassen sich Voraussetzungen für einen attraktiven und
sicheren öffentlichen Raum schaffen“ formuliert hierzu das IBA Memorandum. Für das „Haus der Nobelpreisträger“ könnte man sich z.B. eine ständige Ausstellung zum Thema Mensch +
Wissenschaft vorstellen, die u.a. auch Bezüge zu Leben und Werk Heidelberger Nobelpreisträger herstellt.
Forschung + Gebäude
_Konzept + Funktion
Die Forschungsgebäude für MPI und HD4L basieren alle auf einer Gebäudetiefe von 25 Metern als Drei-Bund und bieten maximale Flexibilität in der Belegung. Alle Gebäude bieten entsprechend den Wünschen auch nicht belichtete Labore in den Untergeschossen an. Die beiden ersten Bauabschnitte für das MPI und HD4L sind jeweils vier Geschosse hoch. Der Neubau des MPI ist über thermisch geschlossene „Brücken“ an das historische Gebäude angebunden. Im 1. BA erhält das MPI drei unterirdische Geschosse, die sich nach Süden verlängern. Beide Erdgeschosse sollen erhöht ausgeführt werden. Dabei stehen sich die Foyers der Neubauten, wie auch der historische Eingang des MPI „nachbarschaftlich“ gegenüber. Der erste Bauabschnitt HD4L bietet im Erdgeschoss zusätzliche Flächen für andere Nutzungen, die über Arkaden vom Platz aus erschlossen werden können. Auch das oberste Geschoss bietet weitere Möglichkeiten Synergien mit anderen Nutzer bzw. Akteuren herzustellen.
Während der 2. Bauabschnitt HD4L, der sich mit seinen drei Geschossen dem Bestandsgebäude der Universität anpasst, den denkmalgeschützten Garten zu einem „jardim secreto“ schließt, entsteht mit dem 2. Bauabschnitt MPI die „Max-Planck-Terrasse“ am Neckar. Drei unterirdische Geschosse über Lichthöfe verbunden, erhalten die Freistellung des historischen Gebäudes in der Stadtlandschaft. In der Topographie des Neckarufers erscheint der 2. BA lediglich mit einer Mauer, die den Höhenversprung aufnimmt und die Raumkante zum Fluss akzentuiert.
Mobilität + Verkehr
Die Durchlässigkeit des Campus Neuenheimer Feldes, gilt es, speziell für Fußgänger und den Fahrradverkehr zu erhalten und auszubauen. Dafür ermöglicht der städtebauliche Entwurf unter Berücksichtigung bestehender Verbindungen neue Wegebeziehungen in alle Richtungen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verbindung zum Neckar, die durch neue Wege westlich und östlich des Grundstücks des Max-Planck-Institutes ermöglicht wird.
Die Tiefgarage des MPI wird über die Kirschner-Straße und einen Stichweg östlich der Chirurgie ermöglicht. Damit bleibt der neugeschaffene Katharina-Windscheid-Platz autofrei und ermöglicht schon im ersten Bauabschnitt eine repräsentative Eingangssituation für beide Forschungseinrichtungen.
Mit der Umbennung der ehemaligen Straßenbahnhaltestelle „Jahnstraße“ in „Platz der Wissenschaften“ erfolgt auch deren (barrierefreie) Integration in den Stadtraum zwischen Platz und der gegenüberliegenden Unternehmenszentrale von Heidelberg Cement. Damit markiert der Ort die Universität im Liniennetz der Stadt Heidelberg und baut somit seine besondere Bedeutung im Stadtgrundriss aus.