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Gedenkort zur Deportation der Thüringer Juden

Veröffentlicht am

Im Rahmen eines interdisziplinären Realisierungswettbewerbes wurde ein Lösungsvorschlag für einen Gedenkort erarbeitet, der an die Deportation von 877 Thüringer Juden im Jahre 1942 am Standort der ehemaligen Viehauktionshalle in Weimar erinnert.

Bereich der ehemaligen Halle

Der nördliche Bereich des zu überplanenden Gebiets ist authentischer Standort der ehemaligen, abgebrannten Viehauktionshalle. Um eine Abschottung zum benachbarten REWE-Parkplatz zu erzielen, sowie gleichzeitig die Halle im historischen Kontext lesbar zu machen, werden die ehemaligen Außenmauern durch eine 1 Meter breite Gabionenwand nachgezeichnet. Eine filigrane Gräserpflanzung auf Pflanzstreifen um die Gabionenwand fungiert als grüner Rahmen und markiert den Übergang von Alltag zu Erinnerungsort.

Die nördliche an den Parkplatz angrenzende Wand weißt eine Höhe von 2,5 Metern auf - so kann ein geschützter, vom Parkplatz abgeschotteter Raum erschaffen werden. Die südliche Wand dient mit 45 cm Höhe und einer Holzauflage als Sitzkante und gibt den Blick auf den südlich anschließenden Bereich frei. Gefüllt wird die Gabionenwand mit Abbruchmaterial der bis dato befestigten Flächen, die rückgebaut werden. Eine Quadratische Rasterung der Gabionen aus Cortenstahl in Reminiszenz an die ursprüngliche Fachwerkfassade erreicht einen hochwertigen und besonderen Eindruck. Die Reste der historischen Tragkonstruktion aus bewehrtem Stahlbeton bleiben an Ort und Stelle.

Der Platz innerhalb der ehemaligen Mauern wird als wassergebundene Wegedecke mit schwarzem Splitt als Deckschicht ausgeführt. Optisch heben sich Stelen aus Cortenstahl davon ab, die in einem Raster (etwa 1,20m x 1,20 m) stehen, dass von rechts nach links stetig aufgelockert wird. Diese eckigen Cortenstahlstelen mit einem Durchmesser von etwa 15 cm variieren in der Höhe von 1 Meter bis 1, 85 Meter und sind verschieden geneigt. Ein Hain aus jungen Birken steht im gleichen Raster, lockert sich von links nach rechts auf und läuft den Stelen entgegen. So entstehen Bereiche unterschiedlicher Qualität innerhalb des Platzes: jene, in denen man ungeschützt, ohne Baumdach zwischen den Stelen steht und baumüberstandene Orte. Je nach Standort kann ein Gefühl von Enge und eine gewisse Desorientierung entstehen. Die Birken des Baumhains werden in relativ geringer aber unterschiedlicher Größe verpflanzt, sowohl als Solitär als auch mehrstämmig. Über die Jahre wachsend, verändern sie so stetig das Bild des Erinnerungsortes.

Schotterflächen, Gleis und Rampe

Der Höhenunterschied vom gefassten Platz zum südlich angrenzenden Bereich wird durch eine kantige Böschung aus Cortenstahl und einer breiten Rampe überbrückt. Die anschließende Fläche mit den teilweise erhaltenen Schienen und der Rampenanlage liegt zwischen dunklen Schiefer- Schotterflächen eingebettet, welche die bestehende Vegetation so weit wie möglich einschließen und Platz für weitere Sukzessionsvorgänge lassen. So bleiben diese unbefestigten Flächen einem stetigen natürlichen Wechsel überlassen.

Östlich lagert sich ein Band aus Zwerg- Purpurweide an (Salix purpurea nana), das je nach Jahreszeit grün oder leuchtend rot erstrahlt.

Über die sich zwischen die Schotterflächen einschneidenden erhaltenen Schienen, gelangt der Besucher barrierefrei auf die darunterliegende Ebene. Sie werden mit Ortbeton ausgefüllt und die Oberfläche mit Besenstrich versehen. Die ehemalige Rampenanlage führt vom Endpunkt des „Gleiswegs“ in eine Sackgasse, wo noch immer der historische Prellbock verortet ist. Es ist beim Begehen nicht gleich klar, wohin es geht.

Balkon mit Ausblick

Abgeschlossen wird der neue Freiraum von einem „Balkon“, von welchem aus der Besucher nach Norden die Sichtverbindung zum Hauptbahnhof und Güterbahnhof erfährt. Auf einer einfassenden Brüstung ist Platz für Erklärungen, um weitergehende Zusammenhänge und Dimensionen sowie historisch bedeutende Verbindungen zu verdeutlichen. Das Pflaster hebt sich farblich von den anderen Wegeflächen ab.

Erschließung

Die drei genannten Bereiche des Erinnerungsortes (ehemalige Halle, Gleis- und Rampenanlage sowie die Aussichtsterrasse) werden durch ein Wegenetz in Betonpflaster verbunden, das ein barrierefreies Erreichen sämtlicher Bereiche ermöglicht, wobei die Besucher wie selbstverständlich geleitet werden. Von der Rießnerstraße im Norden aus wird eine einladende Eingangssituation geschaffen und auch südlich schafft der neue durchgängige Rad- und Fußgängerweg einen offenen Zugang zum Erinnerungsort, welcher dadurch ins übergeordnete Freiraumnetz eingebunden wird.

Vorteil dieser Erschließung ist eine mögliche Realisierung in Bauabschnitten, bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Bebauungsplans.

Stimmigkeit

Das Konzept für einen neuen Erinnerungsort zur ehemaligen Viehauktionshalle Weimar respektiert das bereits Vorhandene und ergänzt behutsam den Bestand. Ein harmonisches, geschlossenes Erscheinungsbild wird vor allem durch die Materialität erzielt: Dunkler Splitt, Schotter, sowie Cortenstahl grenzen sich deutlich von der Umgebung und dem Alltag ab, kreieren einen Schnitt, ohne dabei abweisend zu sein. Weiterhin lassen eben jene Materialien eine Vielzahl an stimmigen Interpretationen zum Erinnerungsort zu und der Alterungsprozess des Cortenstahls, sein Rost sowie die voranschreitende Sukzession innerhalb der Schotterflächen sind Ausdruck von Zeit, Vergänglichkeit und Überlagerung.

Übersichtspläne an Eingängen und vereinzelte Infostehlen, die mit QR-Codes versehen sind, schaffen Informationsmöglichkeiten. So kann ein relativ abstrakter Erinnerungsraum geschaffen werden, der mit simplen Gesten und ohne Pathos auskommt.

Standort

Weimar

Auslober

Stadt Weimar, Freistaat Thüringen

Projektpartner

Reinhard Roy, freischaffender Künstler

Jahr

2018

Wettbewerb

Einladungswettbewerb