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2. Preis Wohnareal Betonwerk Wolf Baienfurt

Veröffentlicht am

STÄDTEBAULICHER UND FREIRAUMPLANERISCHER WETTBEWERB MIT IDEENTEIL UND ARCHITEKTONISCHEM REALISIERUNGSTEIL

in Zusammenarbeit mit DGJ Architekten

Urbanes Dorf Baienfurt: Das Beste beider Welten

Das Leben in ländlich geprägter Umgebung hat für viele Menschen in den letzten Jahren wieder neu an Attraktivität gewonnen. Das Grundstück eines ehemaligen Betonwerks in Baienfurt bietet Gelegenheit für die Entwicklung eines neuen Wohnkonzepts, in dem die Vorteile des Standorts, wie hoher Grünanteil und die Nähe zu Landschaft und Natur mit Innovationen des Wohnens verbunden werden können, die bisher eher im städtischen Kontext zu finden waren: Gemeinschaftliches Wohnen von mehreren Generationen, das ergänzende Angebote wie Gemeinschaftsräume und Co-Working-Spaces anbietet. Im ‚Urbanen Dorf Baienfurt‘ leben die Menschen zusammen, indem sie Gemeinschaftsräume, Außenräume und den Alltag teilen. Auf geschützten Spielplätzen und in der wilden Natur spielen die Kinder des Quartiers. Das Quartier selbst bietet nicht nur Naturnähe, attraktive Außenräume und eine gute Nachbarschaft, sondern auch eine Infrastruktur, die ideale Voraussetzungen für einen modernen Lebensstil mit Tele-Arbeit, Freiheit und Unabhängigkeit bieten. Außerdem bietet das Quartier eine hervorragende soziale Infrastruktur mit Kinderkrippe, Kindergarten und Tagespflege.

Der große Nachteil der meisten Siedlungen an ähnlichen Standorten ist die fehlende soziale Kohäsion. Die Grundstücke werden oft aufgeteilt und durch Zäune getrennt. Gemeinschaftliche Flächen und Nutzungen fehlen oder sind auf entfernte Spielplätze und öffentliche Plätze beschränkt. Im vorliegenden, innovativen Konzept sollen in einer Siedlung die Gebäude zu Gruppen oder „Inseln“ mit gemeinschaftlichen Außenräumen kombiniert werden. So entsteht ein Mehr-Generationen-Wohnen, in dem sich die NachbarInnen kennen und sich gegenseitig unterstützen.

Städtebauliches Konzept und bauliche Dichte

Die kleinteilige Bebauung ordnet sich im Hinblick auf Maßstab, Gebäudetypologie und Dachformen in die Umgebung ein. Es entstehen angemessene, lebenswerte Außenräume und Gebäude mit hohem Identifikationspotential für die BewohnerInnen. Statt großer städtebaulicher Gesten entstehen feinfühlige und vielfältige Wohngebäude und Landschaftsräume. Das Quartier wurde mit einem hohen Grünanteil und vielen Bäumen entworfen.

Quartiershäuser und öffentliche Räume: Die beiden Quartiershäuser mit dem Kindergarten und der Tagespflege bilden, zusammen mit den öffentlichen Außenräumen, das Herz des neuen Quartiers. Auch das Café und die Co-Working-Spaces sind entlang eines öffentlichen Raumes angeordnet, der die beiden Höhenlagen des Grundstücks verbindet. Die Gemeinschaftsräume können für Feste oder Veranstaltungen auch von Einzelnen oder Gruppen aus der Nachbarschaft gebucht oder gemietet werden. Durch diese Ausweichmöglichkeiten, wie Gemeinschaftsräume und Co-Working, können bestimmte Wohnfunktionen aus den individuellen Wohnungen ausgelagert werden. So können die Wohnungen und Häuser selbst kompakter sein.

Wohnhöfe und wilde Landschaft: Die räumliche und soziale Grundeinheit ist eine Gebäudegruppe („Insel“), die um einen Wohnhof angeordnet ist und von einem ‚wilderen‘ Landschaftsraum umgeben ist. Die Gebäude sind kleine Mehrfamilienhäuser, die teilweise über einen seitlichen Laubengang direkt erschlossen werden. Der Wohnhof ist weitgehend als offene Funktionsfläche geplant, auf der ein großer Baum, wie eine traditionelle Dorflinde, Schatten und Schutz spendet. Im Hof kann gespielt, gegessen und gewerkelt werden. Die erdgeschossigen Wohnräume sind zum einen durch einen schmalen Grünstreifen direkt an den Gebäuden vor Einblicken geschützt, zum anderen sind Holzlamellen zum Hof hin geplant, während ein freier Ausblick zum zurückversetzten Eingangsbereich einen Blickbezug nach außen bietet.

Verkehrskonzept

Erschließung: In dem neuen Quartier können sich alle Menschen, vor allem die Kinder, frei und ungestört von Verkehr bewegen. Die Erschließungsbereiche zwischen den Gebäuden sind als Spielstraßen geplant, die autofrei sind und damit als wertvolle Außenräume zum Aufenthalt und Spielen genutzt werden können. Das Quartier bildet einen geschützten Raum, in dem sich Kinder und Erwachsene gerne aufhalten und unbeschwert bewegen können.

Autofreies Quartier und ruhender Verkehr: Die PKWs werden in zwei Tiefgaragen zentral abgestellt. Im Hinblick auf die gewünschte Realteilung der Grundstücke wurden zwei unabhängige Parkanlagen geplant. Auf dem Grundstück sind nur der Lieferverkehr, Ein- und Ausladen und die Müllabfuhr zugelassen. Ein Teil der Tiefgarage wird auch als Abstellfläche / Kellerersatzraum für die Häuser genutzt. An jeder Gebäudeinsel sind zusätzliche Abstellfläche für jede Wohnung geplant.

Lieferverkehr, Entsorgung und Feuerwehr: Über die Zufahrtsstraße im Norden und Süden des Quartiers können auch Müllabfuhr und Feuerwehr die Nachbarschaft anfahren.

Außenraum

Die Außenraum- und Landschaftsgestaltung folgt dem Leitbild des ‚Wohnen im Grünen unter Bäumen‘. Der Außenraum ist als durchgehender gemeinschaftlicher Landschaftsraum konzipiert. Im Zentrum der Anlage finden sich zwei öffentliche Plätze von angemessener Größe, die den BewohnerInnen als Treffpunkt dienen, mit einem angelagerten Spielplatz. Die Außenräume im Quartier bieten eine sorgfältig entworfene Hierarchie von öffentlichen, halb-öffentlichen und privaten Zonen, die verschiedenen Funktionen gewidmet sind:

  • Öffentliche Plätze und Erschließung im Zentrum des Quartiers,
  • ein öffentlicher Spielplatz in der Mitte des Quartiers,
  • das durchgehende ‚wilde‘ Grün zwischen den Gebäudeinseln, das durch ein Wegenetz das Quartier verbindet,
  • die Wohnhöfe der Inseln zum Spielen, informellen Treffen, gemeinsamen Essen und Werkeln,
  • zwei Spielplätze der Kita für unterschiedliche Altersgruppen in der zentralen Fläche,
  • private Außenräume in Form von Balkonen und Terrassen im EG nach den Vorgaben der Auslobung.

Die beiden öffentlichen Plätze im oberen und unteren Teil des Quartiers sind mit einer terrassierten Landschaftsarchitektur verbunden, die auch die Rampen für Fahrräder, ältere Menschen und RollstuhlfahrerInnen integriert. Gestärkt wird dieser räumliche Zusammenhang durch eine Reihe von Pappeln, die die Wegstrecke flankieren.

Die Außenräume werden maßgeblich von den BewohnerInnen genutzt und gestaltet. Die ‚wilde‘ Landschaft zwischen den Gebäuden erfordert kaum Pflege und kann von den BewohnerInnen angeeignet und selbst weiterentwickelt werden. Zwischen den Gebäuden in den Höfen werden großkronige Bäume gepflanzt, die später auch deutlich höher sein werden als die Gebäude. Das Ziel ist es, unter einem nahezu durchgehende Blätterdach von großen Bäumen zu wohnen. Im Sommer spenden die Bäume Schatten, was vor allem bei den im Klimawandel steigenden Temperaturen ein deutlich angenehmeres Mikroklima schafft und die Gebäude vor Überhitzung schützt. Es werden Laubbäume gepflanzt, so dass im Winter die Verschattung gering ist und die solaren Gewinne für die Gebäude genutzt werden können. Im Bereich der Tiefgaragen werden einzelne Stellplätze ausgespart und nach oben geöffnet, so dass auch in diesem Bereich große Bäume gepflanzt werden können. Anstelle von Zäunen oder Hecken wird der private Außenraum mit Streifen von Gräsern und Blütenstauden vom öffentlichen Zugang getrennt.

Jeweils 4-6 Blütenpflanzen von Frühling bis Sommer und ein ausgeprägtes filigranes Winterbild schaffen eine ansprechende und doch ruhige Grundstimmung, die sich mit einer farbigen, lebendigen Erscheinungsweise gut mit den Naturräumen am Waldrand verbindet und doch deutlich den bewohnten Raum absetzt. Die Stauden bilden für eine Gruppe von Häusern ein einheitliches Bild in wechselnd kälteren und wärmeren Farbtönen. Außerdem werden zahlreiche Nuss- und Obstbäume gepflanzt. Gemeinsame Ernte kann für alle BewohnerInnen ein festlicher und verbindender Anlass werden.

Innerhalb der Wohnanlage werden nur die Außenflächen mit versickerungsoffenen Belegen geplant, die vom Lieferverkehr, der Feuerwehr oder dauerhaft mit dem Rollstuhl befahren werden. Alle anderen Wege sind in offenen, wassergebundenen Wegedecken befestigt.

Konstruktive Nachhaltigkeit: Holzbau als Zukunftstechnologie

Alle Gebäude der Siedlung sind als Holzbauten geplant. Holz ist als einheimischer, nachwachsender Rohstoff der zukunftsfähigste Baustoff, der in großen Mengen eingesetzt werden kann. Damit leistet Holz auch einen Beitrag zur Unabhängigkeit der hiesigen Bauwirtschaft von globalen Lieferketten und Baustoffen aus Ländern mit fragwürdigen sozialen und ökologischen Standards. Die Produktion von Holz ist nicht nur weitgehend kohlendioxidneutral, sondern wirkt aktiv dem Treibhauseffekt entgegen, weil das atmosphärische Kohlendioxid im Holz gebunden und damit zwischengelagert wird. Eine Erhöhung des Anteils des Holzbaus ist für die Umstellung auf eine nachhaltige Entwicklung sinnvoll, weil diese Ressourcen die Umwelt im Hinblick auf Emissions- und Abfallaufkommen weniger belasten als nicht-nachwachsende Baustoffe.

Suffizienz und Nachhaltigkeit: Die hohe Bebauungsdichte trägt dazu bei, dass die Verbräuche pro Kopf deutlich geringer sind als bei konventionellen Quartieren. Durch die Suffzienzstrategie werden die Umweltfolgen und Wohnkosten von Beginn an und dauerhaft reduziert. Die Gebäude können mit einem hohen energetischen Standard geplant (KFW 40 oder KFW 40 Plus) werden.

Energiekonzept: Die Energieversorgung des Quartiers erfolgt zentral, weil große Erzeugungsanlagen selbst dann noch effiziente Wärme zur Verfügung stellen, wenn man die Verteilungsverluste im Nahwärmenetz berücksichtigt. Die zentrale Erzeugung kann bei günstigen geologischen Voraussetzungen über Wärmepumpe mit Geothermie oder über ein BHKW (Biogas) erfolgen.

Auf den Dächern der Gebäude wird jeweils eine PV-Anlage geplant. Die PV-Paneelen werden im flachen Winkel aufgeständert (10 Grad). Durch diese Aufstellung kann die Fläche der Photovoltaik erheblich vergrößert werden, weil im Prinzip keine Eigenverschattung zwischen den Modulreihen entsteht und die notwendigen Abstände entfallen. Diese Stromerzeugung auf dem Grundstück kann zum einen den Nutzerstrom für die Wohneinheiten decken, zum anderen kann mit dem hier erzeugten Strom die Wärmepumpe betrieben werden, die Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugt.

Standort

Baienfurt

Auslober

Konversion Betonwerk Wolf GbR

Projektpartner

DGJ Architektur

Jahr

2022

Wettbewerb

2. Preis